Die Erhöhung der Mindestfranchise ist vertretbar

Eine Erhöhung der Mindestfranchise von 300 auf 500 Franken bringt Sparpotenzial von bis zu 1.2 Milliarden Franken. Gemäss Helsana-Analysen würden rund 90 Prozent der Bevölkerung von dieser Erhöhung profitieren.

02.12.2024
Andrea Bischof
5 Minuten

Seit das Krankenversicherungsgesetz 1996 in Kraft getreten ist, hat der Bundesrat die Mindestfranchise dreimal erhöht. Sie betrug zu Beginn 150 Franken und ab 1998 230 Franken. Zum letzten Mal wurde sie 2004 auf die bis heute geltenden 300 Franken erhöht. Seit 20 Jahren ist diese Franchise somit unverändert. Seither haben sich aber die Kosten in der Grundversicherung verdoppelt. Die Mindestfranchise muss dieser Entwicklung Rechnung tragen und damit die Eigenverantwortung der Versicherten bewahren, wenn nicht sogar stärken.

Im aktuellen Helsana-Report «Einkommen & Prämien» hat Helsana zusammen mit der Universität Basel den Zusammenhang zwischen Einkommen und Franchisewahl sowie der Wahl des Versicherungsmodells in der Grundversicherung untersucht. Zudem wurde analysiert, wie sich eine Erhöhung der Franchise von 300 auf 500 Franken auf die Gesundheitskosten auswirkt.

Einsparpotenzial von bis zu 1,2 Milliarden Franken

Um den Effekt einer Franchisenerhöhung um 200 Franken zu analysieren, wurden Helsana-Versicherte mit einer Franchise von 300 und 500 verglichen. Die Analysen zeigen, dass Personen mit einer Franchise 300 im Vergleich zu denjenigen mit einer Franchise 500 höhere Gesundheitskosten von 1’200 Franken pro Jahr aufweisen. Davon können 1’000 Franken durch Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand und anderen Faktoren erklärt werden. Die restlichen 200 Franken können nicht mit diesen Faktoren erklärt werden und sind somit auf das individuelle Verhalten zurückzuführen. Diese 200 Franken stellen somit jene Kosten dar, die potenziell durch eine Verhaltensänderung beeinflusst werden können.

Zusätzlich reduziert die Erhöhung der Mindestfranchise die Kosten für die Grundversicherung bei Personen mit Franchise 300 um durchschnittlich 160 Franken. Dieser Betrag ist kleiner als 200 Franken, da es Versicherte gibt, deren Gesundheitskosten niedriger als 300 Franken sind. Sie schöpfen die Franchise also nicht aus.

Die höheren selbst zu tragenden Kosten (160 Franken), wie auch das Einsparpotential durch Verhaltensänderung (200 Franken) resultieren in einer Entlastung der Grundversicherung. Rechnet man die beiden Effekte (160 Franken plus 200 Franken) zusammen, so sinken die Kosten für die Grundversicherung für eine Person mit Mindestfranchise um 360 Franken. Hochgerechnet auf alle Versicherte mit Franchise 300 in der Schweiz ergibt sich ein Einsparpotential von bis zu 1.2 Milliarden Franken. Dies entspräche einer durchschnittliche Prämienreduktion für alle Erwachsenen von bis zu 160 Franken pro Jahr.

Personen mit Franchise 300 haben ebenfalls einen Nutzen von der Erhöhung

Eine Erhöhung der Mindestfranchise um 200 Franken hätte primär Auswirkung auf Personen, die eine Franchise 300 wählen und deren Gesundheitskosten die Franchise übersteigen. Dies trifft längst nicht auf alle Personen mit einer Mindestfranchise zu. Denn 55 Prozent dieser Helsana-Versicherten haben im Jahr 2023 die Franchise nicht ausgeschöpft. Dies kann verschiedene Gründe haben. Möglicherweise haben diese Personen höhere Kosten als erwartet, weil sie ihren Gesundheitszustand schlechter einschätzen. Ein weiterer Grund kann ihre Risikoaversion sein, d.h. sie wollen das Risiko von unerwarteten, hohen Rechnungen nicht eingehen. Diese Personen würden direkt von tieferen Prämien – von bis zu 160 Franken pro Jahr – profitieren und tragen keine höhere Selbstbeteiligung durch die Franchisenerhöhung.

Chronisch Kranke profitieren durch bessere Qualität und tieferen Prämien

Eine Erhöhung der Mindestfranchise hätte aber finanzielle Auswirkungen auf Personen, die ihre Franchise 300 ausschöpfen, wie zum Beispiel chronisch Kranke. Heute wählen 35 Prozent dieser Versicherten das Standardmodell. Doch gerade für chronisch kranke Patientinnen und Patienten hätten alternative Versicherungsmodelle (AVM) grosse Vorteile. Viele Studien zeigen, dass man in Hausarztmodellen von einer besseren Versorgungsqualität und zusätzlich tieferen Prämien profitieren kann. Durch den Wechsel in ein AVM wären chronisch kranke Personen somit qualitativ besser versorgt und die Belastung durch eine höhere Mindestfranchise kann deutlich verringert werden

Die Allgemeinheit wird entlastet

Diese Ausführungen zeigen, dass nicht alle Personen mit einer Franchise 300 und hohen Kosten durch die Erhöhung der Mindestfranchise zusätzlich belastet werden. Im Gegenteil: Ein wesentlicher Anteil dieser vulnerablen Bevölkerungsgruppe kann sich durch eine andere Wahl des Versicherungsmodells finanziell entlasten und zusätzlich von einer besseren Versorgungsqualität profitieren. Die Solidaritätsgemeinschaft der Versicherten darf aber auch nicht den anderen, zudem grösseren Teil der Bevölkerung vernachlässigen, denn die steigenden Krankenversicherungsprämien bereiten allen grosse Sorgen. Eine Erhöhung der Mindestfranchise bringt Sparpotenzial und entlastet die Grundversicherung. Von dieser Erhöhung profitieren gemäss Helsana-Analysen rund 90 Prozent der Bevölkerung. Deshalb überwiegen die Vorteile: Die Allgemeinheit wird durch tiefere Prämien entlastet.