Medikamente: Mengenrabatte und Vergütung ab «Tag 0»
Zum ersten Mal machen Medikamente den grössten Kostenblock der Grundversicherung aus. Um das Preisniveau umsatzstarker Neuzulassungen zu senken, braucht es Mengenrabatte.
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Nach wie vor entfallen in der Schweiz zwei Drittel der ambulanten Medikamentenkosten auf Produkte, für die es keine Generika oder Biosimilars gibt. Im internationalen Vergleich ist dies ein tiefer Wert. In den vergangenen Jahren hat sich der Packungspreis der Originalpräparate bei der Aufnahme in die Spezialitätenliste (SL) auf durchschnittlich 1'500 Franken fast verdoppelt. Bei gänzlich neuen Wirkstoffen beläuft er sich 2023 gar auf knapp 6'000 Franken. Die dreijährliche Preisüberprüfung durch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und der Druck durch günstigere Nachahmerpräparate senken zwar die Preise der Originalmedikamente. Diese Senkungen reichen nicht aus, um den Anstieg des Preisniveaus auszugleichen, sodass die Gesamtkosten weiter steigen.
Mengenrabatte ohne Wenn und Aber
Wenn ein Medikament häufig eingesetzt wird und die Grundversicherung so hohe Vergütungsvolumina generiert, muss der Preis nach dem Prinzip eines Mengenrabatts automatisch sinken. Wieso soll dieses Gesetz normaler Märkte bei Medikamenten nicht gelten? Das Parlament hat es in der Hand, eine ausgewogene Gesetzesvorlage mit verbindlichen und standardmässig zur Anwendung kommenden Mechanismen auszuarbeiten. Mengenrabatte wirken wie das progressive Schweizer Steuersystem. Je höher das Einkommen, desto höher der Steuersatz. Auf die Medikamente übertragen bedeutet dies: Trotz Rabatt bleibt am Ende unter dem Strich in jedem Fall mehr übrig. Die Diskussion über Ausnahmen und Spezialregelungen, zum Beispiel für Medikamente mit einem breiten Einsatzspektrum, sogenannte Multiindikationspräparate ist in diesem Fall nicht zielführend und könnte das angestrebte Einsparpotenzial von rund 400 Millionen gefährden.
Vorläufige Vergütung ab «Tag 0»: Das gibt es schon
Es stellt sich die Frage, warum ein neues Zulassungsverfahren für Medikamente erforderlich ist. Heute kommt die Einzelfallvergütung (Art. 71a-d KVV) zur Anwendung, wenn bei einer schwerwiegenden Krankheit alle Alternativen, welche sich auf der SL befinden, ausgeschöpft sind und von der Behandlung mit dem angefragten Arzneimittel ein grosser therapeutischer Nutzen ausgeht. Für die Vergütung ab «Tag 0» kommen Therapien nach heutigem Art. 71b KVV in Frage, welche zwar von Swissmedic zugelassen sind, aber noch keine Einigung über die Wirtschaftlichkeit, Zweckmässigkeit und Wirksamkeit (WZW) mit dem BAG besteht. Dadurch entsteht ein paralleles System mit potenziell unerwünschten Wechselwirkungen. Je nach Nutzendefinition im neuen System sind auch Therapien mit befristeter Zulassung eingeschlossen, obwohl nicht alle Studienresultate vorliegen und der tatsächliche Mehrwert der neuen Therapien noch nicht gesichert ist. Die Medikamentenanbieter werden sich für das eine oder andere System entscheiden. Im schlechtesten Fall kommt es am Ende zu einem Verzicht auf die reguläre SL-Aufnahme. Dann wird es entscheidend sein, dass in solchen Fällen Konsequenzen in Form eines höheren Rabatts bei der Einzelfallvergütung zur Anwendung kommen. Viel wichtiger dürfte für die Pharmaindustrie sowieso die internationale Signalwirkung des provisorischen Schaufensterpreises sein. Hier könnte die Schweiz zum unrühmlichen Leuchtturm mit grosser Strahlkraft werden.