Mehr Computertomographien – Risiko für Schwangere?
Die Computertomographie (CT) ist ein unverzichtbares Instrument der modernen Medizin. Aber es birgt Risiken, gerade für Frauen im reproduktiven Alter. Eine neue Auswertung von Helsana zeigt, dass bei dieser Gruppe die CT-Anwendungen zunehmen.
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Ob in der Notfallsituation bei einer Lungenembolie oder bei der Tumornachsorge: Eine CT liefert hochauflösende Schnittbilder des Körpers und ermöglicht eine schnelle und präzise Diagnose. Aber: Die Untersuchung beruht auf dem Einsatz ionisierender Strahlung und birgt entsprechende Gesundheitsrisiken. Besonders für Frauen vor und während der Schwangerschaft.
Erstmals systematische Analyse in der Schweiz
Bislang gab es in der Schweiz keine umfassenden Daten darüber, wie häufig CT-Untersuchungen vor oder während einer Schwangerschaft durchgeführt werden. Da das Durchschnittsalter von Frauen bei der ersten Geburt stetig steigt, nehmen auch chronische Vorerkrankungen und damit die Wahrscheinlichkeit einer CT-Indikation zu. Die Auswertung von Helsana bietet nun erstmals aktuelle Informationen zur Nutzung von CT vom Brustkorb bis zum Becken – sowohl bei schwangeren Frauen als auch bei Frauen im Jahr vor ihrer Schwangerschaft.
Mehr CT-Untersuchungen vor und während Schwangerschaft
Helsana hat in ihrer Analyse alle Schwangerschaften eingeschlossen, bei denen zwischen 2014 und 2024 eine Geburt abgerechnet wurde und bei denen eine durchgehende Versicherungsdeckung vom Jahr vor der Schwangerschaft bis zu deren Ende bestand. Die Ergebnisse zeigen: Im Jahr 2024 erhielt etwa jede 40. Frau im Jahr vor der Schwangerschaft eine CT. Hochgerechnet auf die gesamte Schweiz betraf dies etwa 1800 Frauen. Während der Schwangerschaft war etwa jede 100. Frau betroffen (rund 800 Fälle). In den letzten zehn Jahren ist die Zahl damit um mehr als das Dreifache gestiegen. Ein Vergleich mit einer US-amerikanischen Studie zeigt ähnliche Dimensionen: Innerhalb von zehn Jahren stieg dort der Anteil CT-untersuchter Schwangerer von 0,4 auf 1,1%. Obwohl die absoluten Fallzahlen gering sind, bleibt das Thema relevant – insbesondere im Hinblick auf potenzielle Strahlenrisiken und die spezifische Empfindlichkeit dieser Patientinnen-Gruppe.
Rund 50% der CT im Jahr 2024 betrafen den Abdomen- und Beckenbereich – dieser gilt aufgrund seiner Nähe zum Fötus als besonders strahlungssensitiv. Besonders häufig erfolgten CT bei Schwangeren mit Vorerkrankungen, etwa Atemwegs- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sowie bei solchen aus der Romandie.
Abb. 1: Computertomographien vor und während der Schwangerschaft1

CT-Untersuchungen in der Gesamtbevölkerung
Helsana hat auch die CT-Zahlen der gesamten Schweizer Bevölkerung analysiert. Diese zeigen ein ähnliches Muster mit einem deutlichen Aufwärtstrend, wenn auch nicht so ausgeprägt wie bei den Schwangeren: Im Jahr 2024 wurde bei etwa 7% der Gesamtbevölkerung mindestens eine CT des Rumpfes durchgeführt, dies entspricht hochgerechnet über 600’000 Personen. Besonders viele CT wurden bei über 80-Jährigen durchgeführt: Fast jede fünfte Person dieser Altersgruppe erhielt 2024 mindestens eine CT. Aber auch bei Frauen im reproduktiven Alter zeigte sich mit einem Anteil von 3,4% annähernd eine Verdopplung der CT innerhalb von zehn Jahren. In dieser Altersgruppe erhielten Frauen tendenziell sogar etwas mehr CT-Untersuchungen als Männer. Dies ist bedeutsam, da bei Frauen nicht nur eine mögliche bestehende Schwangerschaft berücksichtigt werden muss, sondern auch ihr strahleninduziertes Krebsrisiko. Es ist generell etwa doppelt so hoch wie bei Männern.
Abb. 2: Computertomographien in der Gesamtbevölkerung1

Strahlenschutz und Risikobewertung
Ionisierende Strahlung kann sowohl deterministische (vorhersehbare) als auch stochastische (zufällige) Effekte hervorrufen. Deterministische Effekte, etwa Fehlbildungen, treten erst ab einer bestimmten Schwellendosis auf. Stochastische Effekte, wie ein erhöhtes Krebsrisiko, können hingegen bereits bei niedrigen Dosen auftreten, ohne dass eine feste Schwelle definiert werden kann. Für die Schwangerschaft bedeutet dies: In der frühen Phase besteht vor allem das Risiko von Implantationsversagen oder Fehlbildungen, während in späteren Phasen kognitive Einschränkungen und stochastische Effekte im Vordergrund stehen.
Eine aktuelle kanadische Studie mit über fünf Millionen Schwangeren untersuchte erstmals systematisch den Zusammenhang zwischen CT-Untersuchungen vor der Empfängnis und den möglichen Auswirkungen auf den Fötus. Etwa jede achte Frau erhielt vor der Empfängnis mindestens eine CT, wobei die letzte CT bei der Hälfte der Frauen ca. vier Jahre vor der Empfängnis stattfand. Die Ergebnisse deuten auf ein moderat erhöhtes, dosisabhängiges Risiko für Schwangerschaftsverluste und Fehlbildungen durch die Strahlenbelastung hin. Allerdings könnten auch die medizinischen Gründe, die überhaupt zur Durchführung der CT führten, das Risiko beeinflusst haben.
Hintergründe zum Anstieg der CT-Untersuchungen
Der starke Anstieg der CT-Anwendungen zwischen 2020 und 2021 geht laut BAG vor allem auf neue Kodier-Regeln zurück. Dadurch wurden mehr Untersuchungen erfasst und die Zahlen sind mit Vorjahren nur begrenzt vergleichbar. Hinzu kamen vermehrte CT-Thorax-Untersuchungen während der COVID-19-Pandemie. In der Fachliteratur werden ausserdem technologische Fortschritte, die Ausweitung klinischer Indikationen wie beim Lungenkrebsscreening, defensive Medizin und demografischer Wandel mit steigender Krankheitslast als zusätzliche Faktoren diskutiert. Die hohe Verfügbarkeit von CT-Geräten in der Schweiz, die gemäss BAG pro Kopf im europäischen Vergleich am höchsten ist, dürfte ebenfalls einen Einfluss haben.
Wege zu mehr Qualität und Sicherheit beim Umgang mit CT
In der Schweiz bestehen bereits hohe Anforderungen an Strahlenschutz und Qualitätssicherung. Da aber immer mehr CT-Untersuchungen durchgeführt werden – auch bei Frauen im reproduktiven Alter, ist es wichtig, die Entscheidungskriterien für CT kritisch zu reflektieren. Untersuchungen zeigen, dass manche CT-Scans medizinisch nicht vollständig oder gar nicht gerechtfertigt sind. Wo möglich, medizinisch sinnvoll und verfügbar, sind strahlenfreie Alternativen wie Magnetresonanztomographie oder Sonographie zu bevorzugen. Auch digitale Werkzeuge und KI-gestützte Entscheidungsalgorithmen können künftig zur Verbesserung der Indikationsqualität beitragen. Das elektronische Gesundheitsdossier sollte zudem helfen, unnötige Doppeluntersuchungen zu vermeiden.
Umsetzung der Auditempfehlung wird nicht kontrolliert
Klinische Audits durch Fachkolleginnen und Fachkollegen sind in der Schweiz seit 2020 Pflicht und ergänzen BAG-Audits sowie Inspektionen und fördern die Standardisierung. Die Eidgenössische Finanzkontrolle stellt jedoch fest, dass bis jetzt nicht vollständig überprüft wird, ob die Empfehlungen der Audits tatsächlich umgesetzt wurden. Dem Bundesrat soll eine Bilanz der Umsetzung der klinischen Audits vorgelegt werden. Sollte sich zeigen, dass die Empfehlungen der Audits nicht oder nur teilweise umgesetzt werden, müssen entsprechende Massnahmen ergriffen werden.
Neben diesen strukturellen Aspekten ist auch eine klare und verständliche Kommunikation zwischen Zuweisenden, Radiologinnen und Radiologen sowie Patientinnen weiterhin entscheidend. Risiken sollten realistisch, aber ohne Alarmismus dargestellt werden. Zwar liegen heutige CT-Dosen meist deutlich unterhalb kritischer Schwellen, dennoch bestehen Wissenslücken hinsichtlich möglicher (Langzeit-) Effekte.
1. Simard et al., Annals of Internal Medicine, 2025
2.Kwan et al., JAMA Network Open, 2019;
3. Bouëtté et al. Insights into Imaging, 20194.
4. BAG, EFK, Evaluation der Mechanismen zur angemessenen Verwendung bildgebender Verfahren in der Medizin, 2025: https://www.efk.admin.ch/prufung/mechanismen-zur-angemessenen-verwendung-bildgebender-verfahren-in-der-medizin/