Mentale Gesundheit: Prävention als Schlüssel?

Gesundheitsversorgung fängt nicht in der Therapie oder Klinik an. Eine ganzheitliche Versorgung beginnt vielmehr mit Sensibilisierung, Information und Prävention. Gerade im Bereich der mentalen Gesundheit.

30.05.2025
Tobias Lux
4 Minuten

Ein Drittel aller Beschäftigten in der Schweiz fühlt sich emotional erschöpft. So lautet das Ergebnis einer 2022 durchgeführten Studie der Gesundheitsförderung Schweiz. Die Uni Bern und die Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften kommen im Rahmen der gleichen Studie zum Schluss, dass arbeitsbedingter Stress in der Schweiz jährlich direkte und indirekte Kosten von rund 6.5 Milliarden Franken verursacht. Und das Warten auf einen Therapieplatz kann oft Monate dauern. Die Analysen von Helsana mit Blick auf die Leistungskosten im Bereich «Krankentaggeld» zeigen: Jeder dritte Arbeitsausfall steht in Zusammenhang mit der Diagnose 'psychische Erkrankungen. Und deren prozentualer Anteil an den Gesamtkosten nimmt Jahr für Jahr zu. Waren es 2019 noch 20 Prozent, so stieg der Wert im Jahr 2024 auf 29 Prozent.

All diese Zahlen machen deutlich: Mentale Gesundheit ist nicht selbstverständlich. Der Anteil der Personen mit gesundheitlichen Problemen in diesem Bereich nimmt zu. Und: Mentale Gesundheit ist bedeutend auf individueller, gesellschaftlicher, gesundheitspolitischer und volkswirtschaftlicher Ebene.

Die Bedeutung der Prävention

Die seit Jahren steigenden Kosten im Gesundheitswesen führen zu höheren Prämien. Das beschäftigt die Menschen in der Schweiz, wie der Spitzenplatz im Sorgenbarometer seit Jahren zeigt. Als Krankenversicherer tragen wir aktiv dazu bei, das Prämienwachstum zu dämpfen - eine Herkulesaufgabe im komplexen, fragmentierten Schweizer Gesundheitssystem. Wichtig erscheint uns hier der generelle Ansatzpunkt, neben der «Reparatur» vermehrt auch auf Prävention zu setzen. Krankenversicherer sind nicht einfach nur eine «Zahlstelle». Sie bringen sich wie Helsana aktiv ein und engagieren sich für die Versicherten bei der Sensibilisierung, Information und Prävention.

Gesundheitsversorgung ist eben mehr als medizinische Intervention

Gerade bei der mentalen Gesundheit sollte Gesundheitsversorgung nicht erst ansetzen, wenn bereits gravierende Probleme auftreten und eine länger dauernde medizinische Versorgung nötig ist. Früherkennung und Frühintervention sind entscheidend, um schwere Verläufe möglichst zu verhindern. Gelingt das nicht, ist der Weg, der dann beschritten werden muss, oft hart und lang. Auswertungen von Helsana-Daten zur mentalen Gesundheit zeigen, dass Personen im Schnitt 150 Tage in Behandlung sind.

Je länger der Ausfall, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass eine Rückkehr an den Arbeitsplatz nicht mehr gelingt. Und all das hat Auswirkungen. Einerseits für die betroffenen Personen selbst, andererseits für deren Umfeld, die Familie, Freunde, Arbeitskolleginnen und -kollegen und auch den Arbeitgeber. Es gilt daher: Jeder Krankheitsfall, der dank Prävention verhindert werden kann, jede Person, die nicht in den Zustand einer Erschöpfung oder eines Burnouts gerät, ist positiv zu bewerten.

Ansetzen, bevor es spät ist

Wichtige Stichworte, um dieses Ziel zu erreichen, sind Information, Prävention und frühe Intervention. Und genau hier setzte eine vor einigen Jahren breit angelegte Kampagne von Helsana an. Ziel war, in der Kampagne darüber zu sprechen, was der Psyche präventiv guttut. Pflege ich meine sozialen Beziehungen? Bewege ich mich ausreichend? Schlafe ich genug? Atme ich richtig? Mit diesen Fragen führte die Kampagne vor Augen, in welchen Bereichen wir unsere mentale Gesundheit mit kleinen, in den Alltag integrierbaren Schritten stärken können. Neben Aufklärung und Prävention – und bei einer Marketingkampagne selbstredend auch der Stärkung des Brands – ging es auch um die Enttabuisierung. Die Hürde für die Betroffenen soll möglichst tief sein, damit sie sich trauen, über das Thema zu sprechen oder im Falle des Falles Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Gerade im Bereich der mentalen Gesundheit gilt es, eine vollständige und durchgehende Versorgung anbieten zu können. Diese beinhaltet als unverzichtbare Elemente die Akutbehandlung und die Reintegration in den (Arbeits-) Alltag nach einer längeren Krankheitsphase. Gesundheit fängt aber nicht in der Therapie und der Klinik an, sondern im Alltag. Es braucht eine ganzheitliche Versorgung, es braucht Sensibilisierung, Information und Prävention. Und hier sind alle gefordert: Die Politikerinnen und Politiker, die Krankenversicherer, die Arbeitgeber und jede und jeder von uns als Mensch.

«Die Schweiz auf der Couch», NZZ am Sonntag, 2. März 2025, https://stand-by-you.ch/wp-content/uploads/2025/03/NZZ_am_Sonntag_20250302_Seite_18.pdf