Spitalplanung ist noch immer Regionalpolitik
Kantonsregierungen gewichten volkswirtschaftliche Interessen höher als die überregionale, bedarfsgerechte Spitalplanung. Um die überregionale Spitalplanung zugunsten der Patientinnen und Patienten zu fördern, können Krankenversicherer neu Beschwerde gegen Spitallisten einreichen.
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Die neue Spitalfinanzierung und Spitalplanung im Krankenversicherungsgesetz (KVG) wurden im Jahr 2012 eingeführt. Die neuen Bestimmungen sollen den Wettbewerb unter den Spitälern stärken und zu mehr Qualität sowie Effizienz führen. Zudem wurde der kantonalen Spitalplanung ein rechtlicher Rahmen gesetzt, der Planungskriterien wie Wirtschaftlichkeit und Qualität verankert und die Kantone zu einer leistungsorientierten Planung verpflichtet.
Feld von Interessenkonflikten
Für die Kantone stellt die Umsetzung der neuen gesetzlichen Vorgabe eine grosse Herausforderung dar. Sie müssen den Wettbewerb und die unternehmerische Freiheit fördern und eine qualitativ hochstehende Versorgung für ihre Bevölkerung sicherstellen. Gleichzeitig regeln sie mit der Spitalliste den Zugang zur Obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) und sind damit mitverantwortlich für die stationären Kosten, die sie zu 55% zu tragen haben. Nicht zuletzt sind die Spitäler in vielen Regionen der Schweiz volkswirtschaftlich relevant und in der Bevölkerung tief verankert.
Um «eine gemeinsame Sicht auf die kantonale Aufgabe der Spitalplanung anzuregen» und eine minimale Vereinheitlichung bei der Umsetzung der rechtlichen Bestimmungen zu erreichen, hat die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) Empfehlungen zur Spitalplanung erarbeitet. Die Kantone sind diesen Empfehlungen teilweise gefolgt, setzen aber ihre vielfältigen, teilweise gegensätzlichen Interessen unterschiedlich um.
Verbesserungspotenzial bei der interkantonalen Kooperation
Die gesetzlichen Bestimmungen zur Spitalplanung lassen den Kantonen trotz revidierter Vorgaben einen grossen Spielraum. Auch der Bundesrat weist in einem Bericht darauf hin, dass die Kantone ihre Spitalplanungen zwar koordinieren, jedoch eine interkantonale Zusammenarbeit fehlt. «Im Schlussbericht der Evaluation wurde empfohlen, die bestehende Kantonsbezogenheit der Spitalplanungen zu überwinden, um Überkapazitäten zu reduzieren und Spezialisierung sowie die Qualitätsentwicklung zu fördern. Dazu wäre von den Kantonen eine Regionalisierung der Planung (im Sinne einer überregionalen Versorgungsplanung) anzustreben.»
Die letzten Jahre haben aber gezeigt, dass vor allem die regionale Bedeutung der Spitäler und nicht die Koordination zwischen den Kantonen im Zentrum der Entscheide der Kantonsregierungen steht. Das Potenzial zur Leistungskonzentration und damit zur Stärkung von Wirtschaftlichkeit und Qualität wird nicht ausgeschöpft.
In der Ostschweiz zeigt sich das Problem
Die aktuelle Planung der Ostschweizer Kantone SG, AI und AR verdeutlicht das Problem exemplarisch. Auf den ersten Blick handelt es sich um eine gemeinsame Spitalplanung. Sie sieht jedoch keine Zentralisierung der Leistungsaufträge für spezialisierte Leistungen vor. Regionalspitäler, die teilweise die geforderten Qualitätsanforderungen nicht erfüllen, sollen weiterhin Leistungsaufträge erhalten. Zudem wollen die Kantone dem Kantonsspital St. Gallen einen Leistungsauftrag für Herzchirurgie vergeben, obwohl es gesamtschweizerisch eine Überversorgung gibt. Stossend ist insbesondere die Feststellung der Kantone, dass in der Ostschweiz gemessen an der Anzahl der Herzchirurgie-Anbieter eine Unterversorgung herrsche. Das KVG fordert jedoch keine anbietergerechte, sondern eine bedarfsgerechte Versorgung. Dieser geplante Ausbau ist eindeutig ein regionalpolitischer Entscheid, um – wie die St. Galler Regierung selbst schreibt – die Wertschöpfung in der Region zu halten. Steuergelder sollen nach wie vor nicht in andere Kantone abfliessen.
Versorgungsregionen konsequent umsetzen
Helsana hat 2020 in ihrer Publikation aufgrund der Patientenströme aufgezeigt, dass Versorgungsregionen bereits bestehen. Solche überkantonalen Versorgungsregionen sollten die Grundlage für die Spitalplanung bilden. Helsana schliesst sich dem Bericht des Bundesrates an: Die regionalpolitischen Interessen der Kantone führen dazu, dass die Leistungen in ihren Spitälern verbleiben. So verhindern sie überkantonale Lösungen. Die Leistungen werden nicht konzentriert und die Qualität und Wirtschaftlichkeit leiden. Dies schlägt sich unmittelbar in den stationären Kosten nieder.
Seit dem 1. Januar 2024 haben die Krankenversicherer die Möglichkeit, gegen kantonale Spitallisten Beschwerde zu führen. Dieses Instrument muss sorgfältig und mit Bedacht, aber auch konsequent genutzt werden. Helsana sieht das neue Beschwerderecht als Möglichkeit, die Entwicklung hin zu einer notwendigen überkantonalen Spitalplanung zu beschleunigen.
So könnte die Spitalversorgung dereinst aussehen.
