Vergütung ab «Tag 0» auf Fast-Track-Produkte beschränken

Mit der Einzelfallvergütung stellen wir heute zuverlässig die Versorgung mit Medikamenten sicher. Die vorläufige Vergütung ab «Tag 0» hingegen hätte viele Nachteile. Beispielsweise fiktive Schaufensterpreise, problematische Wechselwirkungen und die Vergütung überteuerter Medikamente mit ungeklärter Wirksamkeit.

27.02.2025
Mathias Früh
5 Minuten

Für die Behandlung schwerwiegender Krankheiten reichen manchmal die Medikamente auf der Spezialitätenliste (SL) nicht aus. Wenn in solchen Fällen eine Behandlung mit einem anderen Arzneimittel aber einen grossen therapeutischen Nutzen verspricht, kommt heute die Einzelfallvergütung (Art. 71a-d KVV) zur Anwendung. Für die Vergütung ab «Tag 0» kommen von Swissmedic zugelassene Therapien nach heutigem Art. 71b KVV in Frage, für die aber noch keine Einigung über die Wirtschaftlichkeit, Zweckmässigkeit und Wirksamkeit (WZW) zwischen dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) und Medikamentenhersteller besteht. Es stellt sich die Frage, warum ein neues Zulassungsverfahren für Medikamente erforderlich ist, denn dadurch entsteht ein paralleles System mit potenziell unerwünschten Wechselwirkungen.

Beschleunigte Zulassungsverfahren ohne Evidenz zur Wirksamkeit

Mit der Vergütung ab «Tag 0» sollen gewisse Medikamente ab dem Tag der Swissmedic-Zulassung zu einem provisorischen Preis vergütet werden. Die WZW-Kriterien sind während zweier Jahre ausgesetzt. National- und Ständerat sind sich noch nicht einig, welche Medikamente von der neuen Regelung profitieren und wer mitentscheidet, ob ein grosser medizinischer Bedarf besteht. In der grosszügigen Definition des Nationalrats wären alle Arzneimittel für das beschleunigte Zulassungsverfahren qualifiziert. So auch befristet zugelassene Therapien und Arzneimittel für seltene Krankheiten oder der von einer ausländischen Zulassungsbehörde vergebene Status. Bei Ersteren liegt zum Zeitpunkt der Zulassung eine zu geringe klinische Evidenz vor, um sie regulär zuzulassen und der tatsächliche klinische Wert der neuen Therapien ist nicht gesichert. Swissmedic nimmt darum eine zeitliche Befristung vor und überprüft nach einiger Zeit, ob die Therapien tatsächlich wirksam sind. Auch bei Medikamenten gegen seltene Krankheiten, sogenannte Orphan Drugs, liegt nur wenig Evidenz vor, weil die sehr geringen Patientenzahlen die Studienmöglichkeiten stark einschränken.

Beschränkung auf Fast-Track-Produkte und Mitsprache Arzneimittelkommission erforderlich

Der Ständerat hat entschieden, dass nur Medikamente mit sogenanntem «Fast-Track-Status» im beschleunigten Verfahren berücksichtigt werden. Dort sind die Evidenzlage und die Beurteilung der Wirksamkeit durch Swissmedic viel weiter fortgeschritten. Im Rahmen der vorläufigen Vergütung ab «Tag 0» ist so sichergestellt, dass das BAG mit Unterstützung der Eidgenössischen Arzneimittelkommission (EAK) nur über Therapien entscheiden muss, die einen hohen Nutzen aufweisen. Ausserdem müssen sie besser sein als bestehende Therapieoptionen und es muss in der Praxis ein hoher medizinischer Bedarf bestehen.

Ohne Einschränkungen erfolgt eine Ausdehnung des Leistungskatalogs

Die Politik darf es nicht versäumen, die Regeln entsprechend differenziert auszugestalten. Denn sonst werden in den zwei Jahren der vorläufigen Vergütung die meisten Zulassungsgesuche ohne systematische Prüfung des Patientennutzens durchgewunken.

Je nach Entscheid der Räte sind gemäss BAG künftig zwischen 10 und weit über 50 Prozent der neuen Arzneimittel vergütungspflichtig1 – ohne ausreichende Prüfung der Wirksamkeit durch die Grundversicherung. Ohne Beurteilung des Nutzens durch die EAK und das BAG und den Vergleich mit anderen Arzneimitteln zur Behandlung derselben Krankheit, kann keine Vergütung abgelehnt werden, wenn die Wirksamkeit schlechter ist. Es ist sozusagen ein Entscheid zwischen Qualität und Masse. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass in der Folge eigentlich nicht WZW-konforme Therapien regulär und überteuert auf der SL firmieren und vergütungspflichtig bleiben.